Der neue NABU-Landesvorsitzende Johannes Enssle kam nach Bretten und sprach mit Oberbürgermeister Martin Wolff über das Alt- und Totholzkonzept des Landes Baden-Württemberg. Anschließend besuchte er mit einigen Brettener NABU's die Totholzinsel bei der Saatschule.
Eine Million Quadratmeter Waldfläche, oder fünf Prozent des Waldes für den „Urwald von morgen“ fordert die Brettener Ortsgruppe des Naturschutzbunds (NABU) von der Stadt. Zusammen mit dem jüngst gewählten NABU- Landesvorsitzenden und Forst- und Waldexperten Johannes Enssle stellte erster Vorsitzender Norbert Fleischer Oberbürgermeister Martin Wolff, Förster Ewald Kugler und Vertretern der Verwaltung das Alt- und Totholzkonzept (AuT) vor. Dabei einigte man sich das Ende des kommenden Jahres abzuwarten.
„Fünf Prozent sind für Bretten nur ein kleiner Schritt, aber ein großer für bedrohte Arten im Wald“, erklärte Enssle gegenüber den BNN. Mit dem AuT will das Land Baden-Württemberg bis 2020 die natürlichen Alters- und Zerfallsphasen von Bäumen, den so genannten Habitatbäumen, in ausgewählten Bereichen fördern. Durch naturnahe Bewirtschaftung soll so der „Urwald von morgen“ erschaffen werden. Dabei ist die Teilnahme jedem Waldbesitzer selbst überlassen.
„Durch das zunehmende Baumalter entstehen Strukturen wie Baumhöhlen, -spalten und -pilze, sowie, Faulstellen oder starke Totäste in der Krone, auf die Spechte, Fledermäuse, Käfer und bedrohte Arten dringend angewiesen sind“, erläuterte der Waldexperte und betonte, dass in einer verlassenen Spechthöhle 60 weitere Tierarten einen Lebensraum finden können.
Die „Nationale Strategie zur biologischen Vielfalt“ der Bundesregierung gilt als Vorbild des AuT. Bereits 2007 setzte sie das Ziel bis zum Jahr 2020 in fünf Prozent der bundesweiten Wälder die natürliche ökologische Funktion des Waldes wieder herzustellen. Als eine Einheit gilt dabei das Waldrefugium, in welchem sich die Natur selbst überlassen wird. Auf der Mindestfläche von einem Hektar kann man sich frei bewegen und sogar jagen.
100 Hektar Wald sich selbst überlassen
„Wir wollen keinen Bannwald, sondern mehrere Waldrefugien und Habitatbaumgruppen einrichten, die in verschiedenen Teilen des Stadtwalds als Trittsteine dienen und somit die Population bedrohter Arten miteinander vernetzen“, bestätigte Fleischer das Anliegen des NABU. In gleicher Weise werden derzeit Lebensräume von Wildtieren zwischen Feldern und Wiesen durch die Flurneuordnung vernetzt.
„Bundesweit ist es sicherlich der richtige Weg im Durchschnitt fünf Prozent der Waldfläche aus der Bewirtschaftung zu nehmen“ erklärte Oberbürgermeister Martin Wolff, doch müsse man auch darauf achten, in wie weit sich jeder einzelne Wald für dieses Vorhaben eigne und wo es Flächen gebe, bei denen es Sinn mache den Forstbetrieb komplett einzustellen. Eine Totholzinsel befände sich in der Nähe des Tierparks und mehrere Habitatbäume stünden ebenfalls in den Wäldern, dennoch bedürfe es eines ganzflächigen Konzepts.
Im Brettener Stadtwald steht im kommenden Jahr ohnehin die Erfassung der Entwicklung auf ganzen 2.000 Hektar an. Das sogenannte Forsteinrichtungswerk regelt dann die Waldbewirtschaftung für das darauffolgende Jahrzehnt. „Da macht es keinen Sinn vorab in den Wald zu gehen und die punktuell bereits bestehenden Tothölzer in Quadratmetern zu erfassen“, so Wolff. Auch sprach sich der OB gegen die Vorfestlegung einer Zahl aus, die man dann im Nachhinein erreichen müsse. „Das Thema Wald ist eine Problematik für sich, denn es gibt vielerlei Nutzung in Bretten. Da wäre der Forstbetrieb, die Jagdpächter und vor Allem die Bürger, die sagen: der Wald gehört auch uns“, erklärte Wolff.
Mit FFH- und Landschaftsschutzgebieten habe man in Bretten außerdem bereits mehr getan, als viele der Nachbargemeinden. Die Stadt sei Mitglied der Vereinigung biologischer Diversität und führe viele Aktionen mit dem NABU durch, wie das Projekt „Natur Nah Dran“, das im kommenden Jahr in der Stadt erblühen soll. Vielleicht, so Wolff, liege man ja bereits über den geforderten fünf Prozent an naturnahem Wald; das werde man dann Ende 2017 sehen können.
Text: Beatrix Drescher
Uwe Schmidt hat zu diesem Artikel in den BNN einen Leserbrief geschrieben.