Die großen weißen Vögel in der Landschaft fallen sofort auf: In den Wintermonaten trifft man häufiger auf Silberreiher, die schlanken, schneeweißen Verwandten des Graureihers. Als Kosmopoliten sind Silberreiher in Amerika, Afrika, Asien und Süd- und Osteuropa zuhause. Dass sie zunehmend im Winter bei uns auf Wiesen, Feldern und an Gewässern präsent sind, liegt am Klimawandel, der Ausdehnung ihrer Brutgebiete und der teilweisen Nahrungsumstellung auf Kleinsäuger.
80 Prozent des europäischen Bestandes beherbergen die Ukraine, Ungarn, Russland und Belarus. Dort brüten die weißen Reiher in Kolonien im Röhricht von Schilfgebieten und ernähren sich im Flachwasser und auf Wiesen von Fischen, Amphibien, Insekten, Reptilien und Kleinsäugern. In Deutschland sind Silberreiher ganzjährige Gäste und brüten seit 2012 an der Ostseeküste. Wegen der milden Winter expandieren die östlichen Populationen seit der Jahrtausendwende gen Norden und Westen, überwintern zunehmend in Mitteleuropa und zeigen eine Vorliebe für süddeutsche Niederungen. Der Winterbestand wird auf bis zu 8000 Vögel geschätzt und übertrifft den des Graureihers. Von den wenigen markierten Reihern weiß man, dass die Herkunft der bei uns weilenden Wintergäste durchaus gemischt sein kann: Sie stammen nicht nur aus Polen und Ungarn, sondern auch aus Frankreich und den Niederlanden.
Silberreiher sind mit bis zu 1,70 Metern Spannweite etwa so groß wie unsere Graureiher, wirken aber schlanker und graziler. Wie Graureiher fliegen sie mit S-förmig angezogenem Hals. Das reinweiße Gefieder, fehlende Reiherfedern am Hinterkopf, dunkle Beine und ein im Winter gelber Schnabel machen sie unverwechselbar. Im Gegensatz zu Graureihern, die auf der Mäusejagd unerschrocken selbst dicht am Straßenrand verharren, sind ihre weißen Verwandten deutlich scheuer und fliegen bei Annäherung frühzeitig auf. Noch sind Silberreiher bei uns Wintergäste und seltene Brutvögel. Im Zuge des Klimawandels könnte sich das mit milderen Wintern und wärmeren Sommern ändern.
Dr. Stefan Bosch