Seit 1980 sind in Baden-Württemberg 73 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe verschwunden, damit haben wir jeden Tag sieben Betriebe verloren. Von den Dumpingpreisen der Lebensmittelindustrie können vor allem die Betriebe noch leben, die industrielle Landwirtschaft betreiben. Das heißt aber auch: noch mehr Landwirte werden aufgeben.
Allein dies ist schon eine dramatische Situation. Aber es ist für unsere Gesellschaft und unser Land noch weit schlimmer, wenn wir die Bereiche Biodiversität, Klimaschutz, Wasserschutz, Ressourceneffizienz aber auch das Tierwohl bewerten.
Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit bestätigt, dass seit 1990 Jahr für Jahr gleichbleibend ca. 33.000 Tonnen Pestizide in der deutschen Landwirtschaft verbraucht
werden. Gleichzeitig ist der Einsatz von über 800 verschiedenen Pflanzenschutzmitteln auf einem neuen Höchstniveau.
Der Rückgang der Artenvielfalt bei Pflanzen, Säugetieren, Vögeln, Insekten, Amphibien, Reptilien und Kleinstlebewesen im Boden ist wissenschaftlich dokumentiert und unbestreitbar. Auch wenn in Baden-Württemberg mancherorts die Welt noch in Ordnung erscheinen mag, so dominiert in Nord-und Ostdeutschland bereits eine industrielle, massiv umweltzerstörende Landwirtschaft. Mit den kleinen und mittleren Betrieben stirbt auf immer größer werdenden Äckern die biologische Vielfalt.
Der heutige Zustand der landwirtschaftlichen Flächen ist somit alles andere als paradiesisch. Durch den Gesetzgeber erzwungene Grünflächen entlang der Wasserläufe, aber auch finanziell geförderte Blühstreifen können nur der Anfang zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft sein.
Es ist daher sehr zu begrüßen, dass das stark polarisierende Volksbegehren „Rettet die Bienen“ die Landesregierung zu einem Eckpunktepapier bewegt hat. Landschaftsschutzgebiete, Biosphärengebiete, Natura 2000 Gebiete, gesetzlich geschützte Biotope und Naturdenkmäler sollen besonders unterstützt werden: Fördergelder sollen prioritär in diese Gebiete fließen, sodass Landwirte mehr und früher profitieren können. Trotzdem wird nicht jeder Landwirt 50% Pestizidreduktion erbringen müssen, sondern diese Zahl ist auf ganz BW bezogen: wenn es bereits 40% Ökolandbau gäbe, wäre das für die landesweite Pestizidreduktion bereits ein großer Schritt in die richtige Richtung.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat mit aktuellen Studien wie den „Thünen Report“ oder „Pflanzenschutz und Biodiversität in Agrarökosystemen“ den heutigen Zustand, die Folgen aber auch Wege aus der Krise beschrieben.
Derzeit versucht die Agrarindustrie, die Schuld an der Not der landwirtschaftlichen Betriebe einem übertriebenen Umweltschutz zuzuschieben. Es soll ein Keil zwischen Landwirte und Verbraucher getrieben werden, damit nicht vereint gegen
Agrarfabriken demonstriert wird. In Kürze entscheidet die EU, an wen in den
2020er Jahren die jährlich 60 Milliarden Euro Agrarsubventionen fließen werden:
weiter vor allem an Agrarfabriken – oder vermehrt an kleine, naturnahe
Betriebe.
Martin Alb
NABU Bretten e.V.